„Pingusson-Bau“ – ehem. Französische Botschaft im autonomen Saarland

Eintrag veröffentlicht am 10.07.2020

'

„Pingusson-Bau“
Ehem. Französische Botschaft im autonomen Saarland

Hohenzollernstraße 60
66117 Saarbrücken

Erbaut: 1951–1953
Entwurf: Georges-Henri Pingusson (1894–1978)
Geschütztes Baudenkmal: ja

Status:  drohende Gefährdung

Die ehemalige Französische Botschaft in Saarbrücken zählt zu den Spitzenleistungen der Architektur der zweiten Jahrhunderthälfte. Lange vor dem Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland konzipiert, brachte sie den Anspruch der Stadt und des Landes mit hochkarätiger Architektur zum Ausdruck. Das Hin und Her um Erhaltung und Renovierung sollte nun endlich mit einem klaren Bekenntnis des Landes für das Gebäude beendet werden.

Unterstützer: Bund Deutscher Architekten LV Saar; Deutscher Werkbund LV Saar; Saarländischer Verein für Denkmalschutz

Ehrenhof und Verwaltungstrakt. Foto: Marco Kany

Georges Henri Pingusson errichtete die „Ambassade de France“ im Auftrag des Haut-Commissaire Gilbert Grandval von 1950 bis 1955. Damals war das Saarland zwar wirtschaftlich an Frankreich gebunden, aber dennoch weitgehend autonom und spielte im werdenden Europa eine wichtige Rolle. Diese enge Einbindung endete, als sich die Saarländer 1955 für die Rückkehr in die Bundesrepublik entschieden. Ab 1960 bis 2014 war das Ensemble Heimstatt des Kultusministeriums.

Die Botschaft wird auf der Südseite von einem Garten begleitet und erstreckt sich über die gesamte Grundstückslänge mit dem prägnanten Abschluss des fast 100 m langen, aber nur 8 m breiten, auf Pilotis gestellten und mit Dachterrasse gekrönten Verwaltungstraktes. Es schließt sich die flache Dreiflügelanlage des Repräsentationstraktes an. L-förmig angelegte Wohnräume des Botschafters setzen den Schlusspunkt.

Haupttreppe und Empfangsbereich. Foto: Marco Kany

Die herausragende Rolle des Repräsentationstraktes betont der „Ehrenhof“ im Norden und die großzügige Gartentreppe im Süden. Vor die Fassade des Corps-de-Logis schiebt sich das schwebend anmutende Dach des verglasten Eingangs. Innen nimmt die gesamte Länge eine elegante, zweigeschossige Vorhalle ein. Eine raumbreite Treppe aus Marmor bildet den grandiosen Auftakt in die Empfangszone auf Gartenhöhe. In Wandstreifen verborgene Schiebeelemente unterteilen sie in einzelne Räume. Geöffnet aber ist es ein lichtdurchflutetes Raumkontinuum von höchster Flexibilität und beeindruckender Transparenz. Im Blick durch die Glaswand hinaus in den Garten steigert sich die Wirkung von Weite und Lichtfülle.

Das mit kostbaren Materialien ausgestattete Arbeitszimmer stellt einen Höhepunkt an Raffinesse dar. Der Pariser Künstler Raphael ließ die Wände mit Marmorplatten und honigfarbenem Lackfurnier verkleiden. Auch entwarf er Schreibtisch und Sideboard. Dies alles ist ebenso erhalten wie die mit einem hölzernen Stabfurnier ausgekleideten Wohnräume, Lederwände im privaten Arbeitszimmer und durchdachten Einbauschränke.

Büro des Botschafters – wandfeste Ausstattung und Schreibtisch original, Stühle von Gottfried Böhm. Foto: Marco Kany

2011 plante die Landesregierung den Abriss. Seitdem kämpft der Deutsche Werkbund Saar für den Erhalt. BDA, der Saarländische Verein für Denkmalschutz und kulturell interessierte Bürger schlossen sich an. Die dringend erforderliche Sanierung insbesondere des Hochhauses schien greifbar nah, als das Kultusministerium 2014 auszog, aber seither ist nichts geschehen. Der damalige Kultusminister Ulrich Commerçon setzte ein Zeichen, indem die Kulturabteilung 2017 zurückzog. Jetzt aber steht wegen der hohen Kosten wieder ein Abriss zur Debatte. Der Bauminister setzt andere Prioritäten. Das angeblich französischste Bundesland punktet mit seiner Frankreichstrategie, will aber ein einmaliges Bauensemble abreißen. Die ehemalige französische Botschaft ist nicht allein großartige Architektur, sondern Erinnerungszeichen an eine Zeit, als das Saarland in Europa und für die europäische Vereinigung eine wichtige Rolle spielte. Im 2. Halbjahr 2020 hat Deutschland die Präsidentschaft im Europarat – Zeit, endlich zugunsten von Erhaltung und Renovierung des Pingusson-Baus zu entscheiden.

Text: Marlen Dittmann
Redaktion: Martin Bredenbeck

Zum Weiterlesen: ausführliche Publikation des Deutschen Werkbundes von 2014 mit zahlreichen Abbildungen (PDF)

Oben: Verwaltungstrakt von Nordwesten. Foto: Christian Becking

 

PRESSERESONANZ

Pingusson-Bau steht auf einer „Roten Liste“ (Saarbrücker Zeitung, 24.7.2020)