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Stellungnahme zur Neufassung des Denkmalschutzgesetzes NRW

Stellungnahme des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG), Stand 19.05.2020

01.07.2020
An das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW

Sehr geehrte Frau Ministerin Scharrenbach,

der 1948 gegründete Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. vertritt die berufsfachlichen Interessen der in Deutschland arbeitenden Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker. Als Berufsverband, dessen Zuständigkeit traditionell auch die Berufsfelder Hochschule und Denkmalpflege umfasst, sehen wir uns aufgefordert, in der laufenden Verbändeanhörung zur geplanten Neufassung des Denkmalschutzgesetzes NRW – Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen, Stand 19.05.2020 – Stellung zu nehmen. Da Denkmäler regelmäßig Gegenstand kunsthistorischer Forschung sind, setzen wir uns für deren optimalen Schutz ein.

Denkmalpflege als Berufsfeld für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker betrifft in Deutschland wesentlich die Denkmalfachämter, in NRW somit das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland und die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur. Auch die Unteren Denkmalbehörden, die entsprechende wissenschaftlichen Stellen vorhalten, sollen erwähnt werden. Die wissenschaftliche Tätigkeit in diesen Ämtern und Behörden stellt eine wichtige Berufsoption für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker dar, die in NRW arbeiten wollen.

Die Attraktivität der Arbeit in der Denkmalpflege droht jedoch durch einige Punkte der Neufassung deutlich geschwächt zu werden, womöglich erheblichen Schaden zu nehmen. Dies betrifft punktuell auch die Fachlichkeit und Glaubwürdigkeit in Zeiten berechtigter Forderungen nach Partizipation. Folgende Punkte stellen aus unserer Sicht Verschlechterungen des Gesetzes dar, die daher einer erneuten Diskussion und Revision bedürfen:

1. Ungleichbehandlung der Wissenschaftsdisziplinen
Die mit § 3 vorgesehene Aufteilung in ein deklaratorisches Verfahren bei Bodendenkmälern und das fortgeführte konstitutive Verfahren bei Baudenkmälern legt eine fachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung dieser beiden eng verwandten Wissenschaftsdisziplinen nahe. Die Verwandtschaft bezieht sich dabei nicht nur auf die Entstehung der Disziplinen, sondern auch auf Arbeitsweise und Methoden sowie die charakteristischen Herausforderungen im Berufsalltag. Wir sehen für die Anwendungspraxis des Gesetzes keine Notwendigkeit dieser Aufteilung und regen die Beibehaltung des Status quo an.

2. Fachfremde Belange
Kritisch müssen wir die in § 9 (2) vorgesehene Einbeziehung denkmalfachlich fremder Belange werten. Die genannten Belange haben einen hohen gesellschaftlichen und ökologischen Stellenwert. Sie werden ihre volle Wirkung aber gerade dann entfalten, wenn sie am nicht denkmalgeschützten Gebäudebestand berücksichtigt werden sowie bei Neubauvorhaben. Wir weisen darauf hin, dass der denkmalgeschützte Baubestand in NRW auf einen Anteil von rund 2–3 % geschätzt wird und dass es für die strenge Anwendung der genannten Belange andere Baupotentiale gibt. In der gesetzmäßig verankerten Berücksichtigung hinsichtlich des denkmalgeschützten Bestandes sehen wir eine womöglich nicht beabsichtigte, doch damit begründbare Schwächung der dem Denkmalschutz eigentümlichen Belange.
Desgleichen hinterfragen wir kritisch die in § 9 (3) angesprochene Verwendung zeitgemäßer Bauprodukte und neuer Bauarten. Die material-, werk- und formgerechte Ausführung denkmalpflegerischer Maßnahmen muss weiterhin gewährleistet bleiben und kann mit der Verwendung moderner Baustoffe leicht verlorengehen. Der Blick in die Fachgeschichte offenbart deutlich die heute mit großem Aufwand nötigen Restaurierungen früherer Kampagnen, denen dieser fachliche Anspruch noch nicht zugrunde gelegen hatte. Die Rückführung früherer gut gemeinter Maßnahmen bindet heute große Ressourcen und verdeutlich, dass allein material-, werk- und formgerecht, jedoch nicht nach Zeitgemäßheit argumentiert werden darf, um zum Wohle der Denkmäler zu handeln.

3. Fehlende Partizipation und externes Korrektiv
Die Streichung des in § 23 (alt) vorgesehenen Landesdenkmalrates irritiert uns, insbesondere in Zeiten, die in komplexen Zusammenhängen fachliche Beratung und partizipative Elemente erfordern. Gerade in der Einführung eines Landesdenkmalrates sehen wir ein der heutigen Zeit angemessenes, starkes Partizipationsinstrument. Dass von der im Gesetz 1980 vorgesehenen Einführung dieses Gremiums kein Gebrauch gemacht wurde, stellt kein Argument gegen dessen Sinnfälligkeit da. Zudem legt der Entwurf der Neufassung nahe, dass ein Missverständnis vorliegt: Der Landesdenkmalrat wäre eben kein Gremium im Entscheidungsprozess und könnte per se nicht zu einer Verlangsamung von Verfahrensschritten führen. Im Gegenteil wäre durch die in dieser Form konstituierte externe Expertise eine große Chance gegeben, u. a. die Hochschulen (Akademische Kunst- und Architekturgeschichte), die anerkannten Denkmalpflegeorganisationen, die Architektenschaft und weitere Akteure beratend, wo nötig korrigierend, einzubinden. Auf die positiven Vorbilder anderer Bundesländer wird hingewiesen.

4. Schwächung der Fachlichkeit und des Standortes NRW
Als Änderung mit dem höchsten Gefährdungspotential bewerten wir die in § 19 (neu) (und nochmals in § 22 (neu) (1)) geplante Abschwächung der bisherigen Benehmensherstellung zwischen den Unteren Denkmalbehörden und den Fachämtern der Landschaftsverbände zu einer Anhörung. Die denkmalfachliche Expertise konzentriert sich in NRW, wie eingangs bemerkt, auf die beiden Fachämter des LVR und des LWL. Die hier arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sei es in der Inventarisation, sei es in der Bau- und Kunstdenkmalpflege, sind für einen angemessenen Umgang mit den Denkmälern eine entscheidende Quelle von Expertise. Die geplante Änderung wird den Einfluss dieser mit hohem Ressourcenaufwand erworbenen Fähigkeiten der Kunstwissenschaft im konkreten Entscheidungsprozess entscheidend schwächen. An wesentlicher Stelle wird damit die Einbindung der Fachlichkeit unnötig limitiert, zumal wenn man sich das Szenario vergegenwärtigt, dass sich erst aus der Anhörung Klärungsbedarf ergibt, der dann rein fakultativ befriedigt werden müsste.
Neben der damit verbundenen potenziellen Gefährdung der Denkmäler sehen wir vor allem die Gefahr, dass die Berufsoptionen der Denkmalpflege in NRW für qualifizierte Personen an Attraktivität verlieren wird. Daher wünschen wir uns eine sogar engere Einbindung der Fachexpertise in den Entscheidungsprozess und halten dies für eine entscheidende Chance für das Land NRW, dessen Denkmalpflegefachämter bundesweit hohes Ansehen genießen. Zumindest aber sollte der Status quo einer Benehmensherstellung beibehalten werden.

Sehr geehrte Frau Ministerin, den Evaluierungsprozess sowie das Bestreben einer Neufassung des Gesetzes möchten wir ausdrücklich würdigen – zumal das Gesetz nunmehr in einem Alter ist, in dem Bauwerke und Kunstobjekte nach gängiger Praxis die Prüfung auf einen Denkmalwert durchlaufen können. Auch die von der Neufassung angestrebte Stärkung der Kommunen als einen Grundtenor halten wir für einen guten Ansatz.
Wir empfehlen jedoch, den Entwurf in den oben genannten Punkten zu überarbeiten und hoffen, die uns zu dieser Empfehlung führenden Argumente nachvollziehbar dargelegt zu haben. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker steht Ihnen gerne bei allen Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Prof. Dr. Kilian Heck
(Erster Vorsitzender)
Prof. Dr. Iris Wenderholm
(Zweite Vorsitzende)

 

2020-07-01 Denkmalschutzgesetz NRW - Stellungnahme zur Neufassung (83 KB)